"Das Amt für
amtliche Veröffentlichungen ist, was die Veröffentlichungen der
EU-Institutionen betrifft, häufig in der Situation der schwedischen
Marine vor dem Fall des Eisernen Vorhangs: Auf der Suche nach unbekannten
U-Booten". Dieses Statement des Vertreters des Amts für amtliche Veröffentlichungen
der EG, Serge Brack, am 11.11.1996 (kein Karnevalsscherz!) bei einer
Fachtagung für Verantwortliche und Mitarbeiter von Europäischen
Dokumentationszentren, Referenzzentren und Depositarbibliotheken in der
Bonner Vertretung der Europäischen Kommission verdeutlicht, woher
die Probleme kommen, die bei der Beschaffung von EG-Veröffentlichungen
und -Dokumenten auftreten können. Auch das Amt hat keinen Gesamtüberblick
über die Veröffentlichungen der Gemeinschaft, wie man vielleicht
erwarten könnte; Grund hierfür ist die Tatsache, daß einzelne
EG-Institutionen oder -Abteilungen ihre Publikationen nicht durch das Amt
herstellen und verteilen lassen, sondern als Herausgeber selbständig
Druckaufträge vergeben und die Verteilung selbst reglementieren und
übernehmen.
Selbst die allgemeinen Europäischen
Dokumentationszentren (EDZ), denen nach der von der Kommission selbst
entworfenen Satzung "die gesamte von den EU-Organen erarbeitete Gemeinschaftsdokumentation
zur Verfügung gestellt wird", haben aus den genannten Gründen
in der Praxis oft ähnliche Probleme bei der Beschaffung von Gemeinschaftsveröffentlichungen
wie Spezialbibliotheken, die nicht den Status eines EDZ haben, und an die
sich diese Hinweise und Überlegungen insbesondere richten. Ihnen kann
der 1997 von der Kommission herausgegebene kleine Leitfaden mit dem Titel
Zugang zu den Dokumenten der Kommission erste, aber bei weitem nicht
ausreichende Hilfestellung bieten.
Erwerbung
Auffinden und Bestellen von
EG-Literatur kann sich stützen auf
1. Kataloge des Amts für
amtliche Veröffentlichungen der EG, das sich seit einiger Zeit EUR-OP
nennt. Hier die wichtigsten, zuletzt erschienenen Titel:
Veröffentlichungen
1998. Berichtszeitraum 1985-1997.
Dokumente Juli 1996-Juni
1997; monatl. Erg.
eurostat Katalog.
Veröffentlichungen und elektronische Dienste. 1997. Erg. durch monatl.
Neuerscheinungslisten u.d.T. neu erschienen. Bestellungen direkt
an EUR-OP, seinen Vertreter in Deutschland, den Verl. Bundesanzeiger oder
den Buchhandel.
2. EG-Periodika, die regelmäßig
amtliches Schrifttum verzeichnen; es folgt eine Auswahl mit Kurzhinweisen:
EUR-OP News.
Informationen des Verlagshauses der EG; viertelj., kostenlos, farbig gestaltet,
populär aufgemacht, unter Schlagworten oder Themen aktuelle Literaturhinweise
mit Bezugsadressen, z. T. mit Direktansprechpartnern bei den EU-Dienststellen
(und diese antworten in der Mehrzahl auch prompt) sowie Angaben über
kostenlose oder kostenpflichtige Verteilung. Problematisch: Nur der Insider
kann aus der (eventuell) beigefügten Katalognummer erkennen, daß
der aufgeführte deutsche Titel nur in englischer Sprache erhältlich
ist. Beispiel aus 3/96: ‘Kanaltunnel. Auswirkungen auf die Regionen der
EU’. KatNr CX-85-94-599-EN-C. Bezug: EUR-OP, 2, rue Mercier, L-2985
Luxemburg.
Neuerscheinungen über
die Europäische Union eingegangen in der Bibliothek. Hrsg. von
der Bibliothek der Europäischen Kommission in Brüssel, listet
EG/EU Veröffentlichungen und Dokumente - auch solche, die nicht in
den Katalogen von EUR-OP erscheinen -, Sekundärliteratur, auch ausgewählte
Zeitschriftenartikel. Positiv: mehrere Register, insbes. das Titelregister;
Einzeltitelaufnahmen für jede in der Bibliothek vorhandene Sprachversion.
Ungünstig: Sehr grobe systematische Gliederung. Papierform, monatl.
Erscheinungsweise, die jährlich in der Dezemberausgabe kumuliert.
Letzte Papierausgabe 12/1997. Danach nur noch in elektronischer Form auf
der Webseite der Kommission EUROPA (http://europa.eu.int). Bezug: Europäische
Kommission, Bibliothek, 200, rue de la Loi, B-1040 Brüssel; E-Mail-Adresse:
Bibliodiffus@DG10.CEC.BE.
European University News/Nouvelles
Universitaires Européennes. Hrsg.: Europäische Kommission,
GD X, Hochschulinformation. Berichtet in jährlich 4-5 Ausgaben über
‘Europa in Forschung und Lehre’; bietet regelmäßig eine Auswahl
wichtiger Publikationen von Gemeinschaftsinstitutionen; bei Veröffentlichungen
- z. T. mit kurzen inhaltlichen Charakterisierungen -, die direkt vom Herausgeber
zu beziehen sind, werden Ansprechpartner, Adresse, Telefon- und Faxnummer
genannt. Bezug: Europäische Kommission, GD X, Hochschulinformation,
200, rue de la Loi, B-1040 Brüssel.
Research Newsletter.
Hrsg.: Europäisches Parlament, GD Wissenschaft. Zuletzt im Jahresabstand
erschienen; verzeichnet die von der Generaldirektion Wissenschaft des EP
veröffentlichten Arbeitspapiere, die - in erster Linie zur Erleichterung
der Arbeit der Europa-Parlamentarier gedacht - auf begründete Anfrage
kostenlos überlassen werden; nennt die vorhandenen Sprachversionen.
Themenspektrum der Arbeitspapiere: alle Bereiche der Gemeinschaftspolitiken.
Bezug: Europ. Parlament, GD Wissenschaft, Schuman Building, L-2929 Luxemburg;
im Internet: http://www.europarl.eu.int.
Die Vertretungen der Europäischen
Kommission in Bonn, Berlin und München mit ihren Dokumentations- und
Informationsabteilungen sind bewährte Auskunfts- und Verteilungsstellen.
Sie vergeben kostenlose und gelegentlich - bei evtl. vorhandenen Dubletten
- auch kostenpflichtige Veröffentlichungen. Bei Titeln mit geringem
Umfang kann man auch auf Fotokopien hoffen. Zu beachten ist, daß
man sich an die für ‘sein’ Bundesland zuständige Vertretung wendet:
Berlin ist zuständig für Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern
und Sachsen-Anhalt, München für Bayern und Sachsen, Bonn für
die übrigen Bundesländer. Erst wenn man bei ‘seiner’ Vertretung
nicht erfolgreich ist, sollte man sich mit dem Hinweis darauf an die Hauptvertretung
in Bonn wenden. Am Rande: EG/EU-Titel, die zunächst oder auf Dauer
nur in der Dokumentation der Bonner Vertretung und nicht in den EDZ oder
Depositarbibliotheken vorhanden sind, sind auch über den Leihverkehr
der Bibliotheken erhältlich. Die Newsletter der EU-Vertretungen wie
EU-NACHRICHTEN, Bonn, oder EUROPARTNER, Berlin, verzeichnen regelmäßig
Hinweise auf Gemeinschaftsveröffentlichungen und ihre Verfügbarkeit.
Bei den Beschaffungsbemühungen
kann das interinstitutionelle Verzeichnis mit dem Titel Who’s Who in
der Europäischen Union? eine gute Hilfe sein. Das detaillierte
Organigramm führt zu Politikbereichen und Ansprechpartnern für
diese in den Gemeinschaftsinstitutionen, deren Adressen, Telefon- und Faxnummern,
die eine direkte Anfrage ermöglichen. Ob ein Brief, ein Fax oder ein
Telefonat erfolgreicher sein werden, ist nicht generell zu beantworten.
Häufig bewährt hat sich folgende Vorgehensweise: Telefonat zur
Klärung von Ansprechpartner und Existenz des gewünschten Titels,
gefolgt von einem Fax. Die Sprachproblematik, die auch im Abschnitt ‘Einarbeitung’
noch zur Sprache kommen wird, sollte nicht unterschätzt werden. Die
nachfolgend geschilderte beschwerliche, letztendlich jedoch erfolgreich
abgeschlossene Versuchsreihe zeigt potentielle Stolpersteine auf:
Das Weissbuch zur Regierungskonferenz
1996, hrsg. vom Europäischen Parlament (EP) war zu beschaffen.
Aus zuverlässiger Quelle war bekannt, daß es in der Reihe ‘Politik’
der Arbeitspapiere der EP-GD Wissenschaft erschienen sei und drei Teile
oder Bände habe. Auf die Anfrage nach drei Teilen des Weißbuchs
in deutscher Sprache wurde prompt, aber nur zweibändig geliefert.
Eine telefonische Anfrage in englisch/französischer Sprachmixtur bei
einem Spanisch-Muttersprachler ergab die Bestätigung der Existenz
von drei Bänden, die Bestellung des 3. Teils wurde jedoch nicht telefonisch
akzeptiert, die sofortige schriftliche Bestellung blieb aber auch erfolglos.
Ratlosigkeit. Pause. Wenige Wochen später bringt eine weitere telefonische
Anfrage zu einem ganz anderen Titel bei der GD Wissenschaft des EP Kenntnis
und Beschaffung des Research Newsletter und dieser dann das Wissen,
daß der fehlende 3. Band nur in Englisch oder Französisch zu
haben ist und wiederum zwei Teile hat. Diesmal wird die telefonische Bestellung
in englischer Sprache akzeptiert, die Lieferung erfolgt prompt, aber mit
dem ‘kleinen’ Schönheitsfehler, daß der 2. Teil zweimal, der
1. jedoch nicht geliefert wird. Ein letztes Telefonat schließt diese
Beschaffungsversuchsreihe wirklich ab. Als entscheidend erwies sich im
Rückblick, daß zunächst nicht bekannt war, daß nur
die beiden ersten Teile in deutscher, der 3. jedoch nur in englischer oder
französischer Version existierte. Da bei der ersten Anfrage die deutsche
Ausgabe gewünscht wurde, wurden eben nur die deutsch existierenden
Teile geliefert, und bei den späteren telefonischen Kontakten klärte
sich dieser Zusammenhang nicht auf.
Zusammenfassend ist festzustellen,
dass die Beschaffungsschwierigkeiten insbesondere daraus resultieren, dass
kein wirklich vollständiges EG/EU-Veröffentlichungsverzeichnis
existiert. Das Amt - EUR-OP - gibt sich viel Mühe, steht aber angesichts
des Herausgeberverhaltens einzelner Institutionen auf verlorenem Posten.
So bleibt die Beschaffung von Gemeinschaftspublikationen, die nicht in
den Verzeichnissen von EUR-OP stehen, eine beständige Herausforderung
für den Erwerbungs-Bibliothekar, der oftmals sicher von Anflügen
der Resignation nicht verschont bleiben wird, der andererseits bei hartnäckig
erfochtenen Beschaffungserfolgen einen neuen Motivationsschub erfahren
wird.
Die im folgenden genannten
Internet-Adressen können insbesondere beim Auffinden und Beschaffen
aktueller EU/EG-Literatur hilfreich sein:
Rat der Europäischen
Union: |
http://ue.eu.int |
Europäische
Kommission: |
http://europa.eu.int |
Europäischer
Gerichtshof: |
http://europa.eu.int/cj |
EU-Rechnungshof: |
http://www.eca.eu.int |
Wirtschafts-
und Sozialausschuß: |
http://www.esc.eu.int |
Ausschuß
der Regionen: |
http://www.cor.eu.int |
Europäische
Zentralbank: |
http://www.ecb.int |
Europäischer
Bürgerbeauftragter: |
http://www.euro-ombudsman.eu.int |
Europäisches
Parlament,
GD Wissenschaft:: |
http://www.europarl.eu.int |
Einarbeitung
Die Stichworte "häufige
Titeländerungen bzw. Änderungen in der Erscheinungsweise bei
Periodika", "unterschiedliche Sprachversionen innerhalb von Reihen" oder
"kurzlebige Zeitschriften und Newsletters" vermitteln erste Hinweise auf
Besonderheiten und Mühen bei der Einarbeitung von EG-amtlicher Literatur.
Periodika
sind insbesondere wegen ihrer
häufigen Titeländerungen eine ständige Herausforderung für
den Bibliothekar. Die Periodischen Berichte über die sozioökonomische
Lage und Entwicklung der Regionen der Gemeinschaft brachten es bei
bisher fünf Ausgaben auf nicht weniger als vier verschiedene Titel.
Das zuletzt als Aussenhandel Statistisches Jahrbuch. Retrospektive
1958-1993 erscheinende Jahrbuch nannte sich zuvor u. a. Aussenhandel
und Zahlungsbilanzen, das Titelblatt zeigte sich mit oder ohne Untertitel
und in 2, 4 oder 9 Sprachversionen. Der Bericht der Kommission an den
Rat, das EP und den WSA über die Anwendung der sozialen Grundrechte
der Arbeitnehmer erschien mit seiner 2. Ausgabe in der Reihe Soziales
Europa. Beihefte, die 3. ist ein KOM-Dokument, die 4. schließlich
erscheint in der ungezählten Reihe Dokument.
Reihen und Reiheneinzeltitel
haben ihre Tücken z.
B. in geringfügigen Reihentitelabweichungen - working paper(s)/working
document(s) -, mehrfachen Reihentiteländerungen - die Zählung
läuft jedoch weiter -, schwer auffindbaren oder fehlenden Reihenangaben
und Nummerierungen - Beispiel: Europäische Hefte der EVP-Fraktion
des EP -, unterschiedlichen Sprachversionen der Reiheneinzeltitel - Beispiel:
Regional Development Studies. Die Einzeltitel erscheinen hauptsächlich
in Englisch oder Französisch, selten auch in Deutsch -, unterschiedlichen
Sprachversionen innerhalb eines mehrbändigen Reiheneinzeltitels -
Beispiel: das o.g. Weißbuch zu Regierungskonferenz 1996; die
Bde 1 und 2 sind auch in deutscher, der Bd 3 nur in englischer oder französischer
Sprache erschienen - ...
Grün- und weissbücher
erweisen sich bei Erwerbung
und Bearbeitung dadurch als problematisch, daß das nur benutzte Erkennungswort
Grün- oder Weißbuch zu/über... entweder auf dem Titelblatt
überhaupt nicht oder allenfalls im Untertitel erscheint. Hinzu kommt,
daß Grün- und Weißbücher sowohl als KOM-Dokument,
in den Beilagen zum Bulletin der EU oder (selten) als selbständige
Veröffentlichung ediert werden. Weiß- und Grünbücher
generell zu verweisen, erweist sich als adäquates Hilfsmittel.
Einzeltitel
die in vergleichsweise geringer
Zahl erscheinen, zeigen sich bei der Einarbeitung, von gelegentlich ‘versteckten’
Autoren oder Herausgebern abgesehen, als unkompliziert. Ausnahme: Berichte,
die unter Autorennamen angefordert werden, in den Katalogen jedoch unter
den Sachtiteln geführt werden. Beispiele: MacDougall- oder
Spinelli-Bericht. Die beiden Herren waren jeweils die Vorsitzenden
von Expertenkommissionen.